Rezension zu „Weg in den Aufstand.

Chronik zu Opposition und Widerstand in der DDR zwischen 1 987 und 1 989“,

Band 1 , Leipzig, Araki, 201 5:

Thomas Mayer: „Manches ist uns einfach geglückt“, in: Leipziger Volkszeitung vom 25./ 26. April 201 5, Seite 1 9

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„Chronik zu Opposition und Widerstand“ zeigt Weg zur Friedlichen Revolution

VON THOMAS MAYER

Thomas Rudolph, 1963 in Karl-Marx- Stadt geboren, ist ein stiller Held der ost¬ deutschen Revolutionsgeschichte. Wird gefeiert und geehrt, ist dieser Wegberei¬ ter des großen Wandels nur am Rande oder nicht mal dort anzutreffen. Dabei war er doch, so bestätigen es immer wie¬ der die Insider des Geschehenen, einer der wichtigsten Strippenzieher des Wi¬ derstands gegen die SED -Diktatur. Ru¬ dolph war in Leipzig Mitgründer des Ar¬ beitskreises Gerechtigkeit und ab 1988 sogar dessen hauptamtlicher Sprecher. Ihm vor allem ist zu danken, dass die vielfältigen Dokumente der verschiede¬ nen Bürgerrechtsgruppen gesammelt wurden und nun endlich der Öffentlich¬ keit übergeben werden können.

Das über 1000 Seiten starke Manu¬ skript lag seit Jahren vor. Bereits zum 20-jährigen Jubiläum der Friedlichen Revolution hoffte Rudolph, und mit ihm seine Widerstandsfreunde Oliver Kloss, Rainer Müller und Christoph Wonneber¬ ger, einen Verleger zu finden, der die Kühnheit besitzt, so ein Konvolut auf den Buchmarkt zu bringen. 2009 war dem Projekt kein Erfolg beschieden, was damals Rudolph in einem LVZ-Gespräch so kommentierte: „Es wäre wichtiger, so ein Buch zu verlegen, als irgendwelche Denkmale zu bauen. " Wie das Leben so spielt: Das Denkmal wurde nicht gebaut, Rudolphs „Weg in den Aufstand - Chro¬ nik zu Opposition und Widerstand in der DDR zwischen 1987 und 1989" ist aber

zumindest mit dem ersten Band erschie¬ nen. Der mutige Verleger, der sich der Publikation annahm, heißt Georg Dehn. Er betreibt in Leipzig den Araki Verlag.

Erstmals wird mit Rudolphs Doku¬ mentation die Friedliche Revolution als ein politischer Weg transparent gemacht, der schon Jahre vor dem erfolgreichen Höhepunkt im Herbst 1989 begonnen hatte. Stichtag der Chronik ist ein Da¬ tum/Ereignis, das in der offiziellen Erin¬ nerung kaum Erwähnung findet: Am 13. August 1987 demonstrierten 300 Ju¬ gendliche, unter ihnen Berliner, Leipzi¬ ger, Karl-Marx- Städter, nahe des Bran¬ denburger Tores und skandierten: „Ber¬ lin, Berlin - Die Mauer muss weg!" Es kam zu vorübergehenden Festnahmen und stundenlangen Verhören. Mit der Dokumentation wird die zunehmende Vernetzung der bestehenden subversi¬ ven Gruppen und deren Strukturen of¬ fengelegt. Wie bisher kaum bekannt, wird vor allem eine Strategie des Wider¬ stands deutlich, die immer mehr in Wechselwirkung mit den Aktivitäten in den Kirchen trat. Über den sogenannten Leipziger Sonnabendkreis, in dem sich alle hiesigen Dissidenten-Aktivitäten bündelten, waren Bürger- und Men¬ schenrechtsgruppen in der gesamten DDR in über 20 illegal betriebenen Re¬ daktionen, 15 alternativen Bibliotheken und 20 Friedens- und Umweltgruppen in mehr als 50 Orten der DDR verknüpft.

„Das Buch füllt eine Lücke, weil das bisherige Bild zu einfach gestrickt ist", sagt Wonneberger, der als Pfarrer der

Leipziger Lukaskirche und Koordinator der Friedensgebete in der Nikolaikirche zu den Protagonisten des Widerstandes gehörte. Er weiß wie es war: „Seit 1988 gab es ein Verzahnung von Bürger- und Menschenrechtsgruppen aus Leipzig und Berlin und auch aus der Provinz, Be¬ ziehungen zu Solidarnosc und zur Char¬ ta 77 und auch die Einbeziehung von Ausreiseantragstellern. Es war nicht al¬ les Zufall. Manches ist uns einfach ge¬ glückt. Wie ein Wunschkind. "

Der erste Teil der Chronik endet mit dem 28. November 1988. Mitglieder der Initiativgruppe Leben protestierten im Zentrum Leipzigs mit einer Luftballon¬ aktion gegen das Verbot der sowjeti¬ schen Zeitschrift „Sputnik". In der Folge verhängte die Staatsmacht Ordnungstra¬ fen bis zu 800 Mark. Gelingt es dem Ver¬ leger wie den Herausgebern auch die beiden weiteren Teile der Revolutions¬ chronik zu publizieren, hätten sie sich selbst ihr Denkmal gesetzt.

* www.araki.de

Weg in den Aufstand (Teil 1), Araki Verlag Leipzig, herausgegeben von Thomas Rudolph, Oliver Kloss, Rainer Müller und Christoph Wonneberger, 366 S., 25 Euro.

http://weg-in-den-aufstand.de

http://de.scribd.com/doc/242282535/201 4-Weg-in-den-Aufstand-Chronik-des-Widerstandes-l 987-1 989